Schwäbische Zeitung Ausgabe Wangen vom 03.04.2013
Der Versicherungsschutz greift nicht wie erhofft, weil die Beihilfe gedeckelt ist
Von Benjamin Schwärzler
Gestratz - Ein kurzer Moment kann vieles im Leben verändern. Michael Hauber hat einen solchen erlebt. Im Fußballtraining Mitte Januar trifft ihn ein Mitspieler unglücklich im Gesicht. Die Folge:
Der 19-Jährige verliert drei Zähne, darunter beide Schneidezähne. Auch der Kieferknochen wird stark in Mitleidenschaft gezogen. Es folgen unzählige Untersuchungen und Behandlungen bei einem
Spezialisten.
Zu den körperlichen Schmerzen kommt die finanzielle Belastung für die Familie. Der Kostenvoranschlag des Zahnarztes liegt bei 5000 Euro, Folgekosten jedoch noch nicht einberechnet. Das
Hauptproblem: Der Versicherungsschutz hat nicht wie erhofft gegriffen.
Zunächst einmal hatte die Familie einen Unfallbericht an die Krankenkasse geschickt und an die Sportversicherung, bei der Michaels Fußballverein FV Rot-Weiß Weiler als Mitglied des Bayerischen
Landessportverbands (BLSV) pflichtversichert ist. „Wir dachten zuerst, damit wäre alles erledigt", sagt Vater Franz.
Ein Trugschluss. Als es ans Geld geht, beginnt ein zähes Ringen. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt zwar Nebenkosten wie den Transport mit dem Sanka ins Krankenhaus und schießt auch 30
Prozent für das Provisorium zu, das der Auszubildende derzeit trägt, um die Zahnlücke zu kaschieren – doch einen dauerhaften Zahnersatz, also ein Implantat, bezahlt sie nicht. Immerhin konnte
Franz Hauber als guter Kunde bei seiner Versicherung eine „kleine Kulanzzahlung" heraushandeln, die im mittleren dreistelligen Bereich liegen wird.
Nichts zu holen gibt es bei der Haftpflichtversicherung des Mitspielers, der den Unfall versehentlich verursacht hat. Sie lehnt eine Zahlung ab mit der Begründung, dass Fußball ein „Kontaktsport“
ist, bei dem die Teilnehmer das Risiko einer Verletzung in Kauf nehmen. Dazu gibt es sogar eine höchstrichterliche Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof. Demnach hat ein Haftpflichtanspruch
nur bei einem vorsätzlichen, groben Foul Aussicht auf Erfolg.
Bleibt noch die ARAG-Sportversicherung, bei der alle Vereine automatisch versichert sind, wenn sie dem BLSV beitreten. Deren Beihilfe bei Unfällen ist gedeckelt – auf maximal 2000 Euro.
Ihren Fall, der sie so unvorbereitet traf, möchte die Familie als Warnung für alle Vereine und Hobbysportler verstanden wissen. Das Thema Versicherung dürfe man nicht unterschätzen. Franz Hauber
rät Sportlern und deren Eltern, ihre Krankenversicherungen zu überprüfen, nachzufragen, ob Implantate abgedeckt sind – und im Zweifel eine Zusatzversicherung abzuschließen. „Das haben wir jetzt
nachträglich gemacht – für zwei Euro im Monat", sagt Mutter Petra.
An Fußball spielen ist für Michael Hauber derzeit nicht zu denken. Anfangen will er aber wieder.
Im Bayerischen Landessportverband (BLSV) sind mehr als 12000Sportvereine mit 4,4Millionen Mitgliedern organisiert. Sie alle erhalten dadurch automatisch einen Versicherungsschutz durch die
Versicherungsgesellschaft ARAG, mit der der BLSV einen Grundversicherungsvertrag abgeschlossen hat – ebenso der Württembergische Landessportbund (WLSB), der für 5500 Turn- und Sportvereine mit
zwei Millionen Mitgliedern zuständig ist.
Die ARAG übernimmt bei Sportunfällen in Bayern einen maximalen Zuschuss von 2000 Euro. „Diese Summe deckt mehr als zwei Drittel aller Fälle ab“, sagt Regionalleiter Dieter Huber vom
Versicherungsbüro beim BLSV in München. Allerdings weiß er auch: „Man kann natürlich nicht alles auffangen. Es bleiben immer Differenzen.“ In Württemberg gewährt der WLSB einen Zuschuss von
maximal 2600Euro. Damit seien mehr als drei Viertel der Unfälle abgedeckt, sagt Jörg Schlegel, Büroleiter des Versicherungsbüros beim WLSB in Stuttgart. Die gewährte Frist für die
Kostenerstattung sei auf zwei Jahre begrenzt, sagt Schlegel.
Der Grundversicherungsvertrag ist für alle Sportvereine gleich. Er kann nicht abgeändert oder aufgebessert werden. Ein Verein hat lediglich die Möglichkeit, Mitglieder einzeln höherwertig zu
versichern. „Die Frage ist, ob es der Verein finanzieren kann. Wir sprechen da von 300, 400 Euro pro Monat“, sagt Huber. Zum Vergleich: Für die Grundversicherung zahlt ein Verein einen Euro pro
Mitglied im Jahr. Grundsätzlich sollte sich ein Sportler nicht nur auf die BLSV/ARAG-Versicherung verlassen. „Sie ist als Unterstützung gedacht, als Beihilfe, nicht als totale finanzielle
Absicherung", betont Huber. Daher sei es ratsam, individuell Vorsorge zu treffen – gerade bei einem (teuren) Thema wie Zahnersatz. (bes/mp)